Aus der Gießener Allgemeinen Zeitung vom 27. Mai 2008

Im Französischen Senat und bei Camille Claudel

Dr. Alain Milon, Senator und Bürgermeister aus Sorgues, empfing »Deutschfranzosen« in Paris

Wettenberg (bf). In einer der »heiligen Hallen« der nationalen französischen Politik bewegten sich am Dienstag der Vorwoche Mitglieder der Deutsch-Französischen Gesellschaft Wettenberg, des Partnerschaftsvereins, der sich auch als Forum der Freunde französischer Alltagskultur versteht: Dr. Alain Milon, seit 1987 Bürgermeister der Wettenberger Partnerstadt, hatte nach Paris in den Senat eingeladen, wo der 60-jährige Allgemeinmediziner, Sozialund Gesundheitspolitiker der UMP (Union pour un Mouvement Populaire) seit 2004 ein Mandat innehat.

Im Unterschied zu Deutschland ist Frankreich traditionell ein Zentralstaat. In diesem Zusammenhang spielt die zweite gewählte Kammer des französischen Parlaments eine andere Rolle als der Bundesrat. Das Parlament im Hexagon besteht aus zwei Versammlungen: Nationalversammlung und Senat. Ihre Mitglieder werden durch unterschiedliche Wahlverfahren bestimmt, um eine bessere Repräsentation aller Franzosen zu gewährleisten

Camille Claudel
und die Prüfung der Gesetzestexte zu vertiefen. Der Senat gewährleistet als »hoher Rat der Gemeinden Frankreichs« sowie als Vertreter der Gebietskörperschaften die Vertretung aller Franzosen. Als ständige Versammlung kontrolliert er auch die Arbeit der Regierung. Darüber hinaus ist der Senatspräsident der Garant von Stabilität: Er – derzeit Christian Poncelet – tritt, zweimal war’s bislang der Fall, beim Rücktritt de Gaulles 1968 und dem Tod Pompidous, an die Stelle des Präsidenten der Republik im Falle dessen Todes oder Rücktritts. Der über 300-köpfige Senat ist schon immer in dem unter Maria von Medici ausgebauten Palais du Luxembourg in Saint-Germain am linken Seine-Ufer ansässig. Folglich beeindruckten beim zweistündigen Rundgang einerseits Milons Ausführungen zur politischen Arbeit ebenso wie deren architektonischer Rahmen, der Prunk früherer Jahrhunderte. Milon selbst arbeitet unter anderem in Ausschüssen zur Reformen im Gesundheitswesen, beschäftigt sich aktuell mit Gesetzentwürfen zur Leihmutterschaft oder beispielsweise mit Fragen der Adoption von Kindern.

Insgesamt waren 41 Wettenberger »Deutschfranzosen« für fünf Tage in Paris.Schwerpunkt bei den von Geraldine Schwemin kommentierten Stadtwanderungen war die Grünflächenplanung der Stadt – vom Wohnplatz im »Zehnten« am Canal Saint-Martin aus »erobert«: Der weitläufige Park hinter der Sportarena von Bercy, der »Wald« in der Nationalbibliothek, der Botanische Garten und der »Weltgarten« der Stiftung Albert Kahn in Boulogne-Billancourt standen unter anderem auf dem Programm der »KulTour«. Einer der Höhepunkte war zudem der Besuch der Sonderausstellung von Werken der Bildhauerin Camille Claudel (1864–1943) im Rodin-Museum. Auf ihre Geschichte war man – selbst in Frankreich – so richtig erst vor knapp 20 Jahren gestoßen, als sie mit Isabel Adjani und Gérard Dépardieu verfilmt worden war. Claudel hatte von 1914 an – verstoßen von ihrer Familie und ihrem Geliebten Rodin – in einer Nervenheilanstalt in Monfavet gelebt – in der Nähe von Avignon, in der Nachbarschaft von Sorgues.Daher erhielt auch Milons Ankündigung vom Dienstag in Paris einen besonderen Klang, wonach das neue Kulturzentrum in der Wettenberger Partnerstadt, einzuweihen 2010, den Namen der lange Zeit vergessenen Künstlerin tragen wird.


Dr. Alain Milon (vorn, Mitte), seit 2004 französischer Senator und seit den späten 1980ern Bürgermeister in Sorgues, empfing eine Delegation Wettenberger »Deutschfranzosen« im Palais du Luxembourg in Paris. (Fotos: bf, César)

Die nächsten Partnerschaftsaktivitäten: Im September Seniorenbegegnung in Sorgues und dortselbst auch, vom 2. bis 5. Oktober,Wiederholungsfeier zum 35-Jährigen der 1972 begründeten Jumelage. Angebote des Partnerschaftsvereins im Internet zu lesen unter www.deutschfranzosen.de.