Aus der Gießener Allgemeinen Zeitung vom 16. Juni 2007


Schüler der Klasse 10 a, Lehrer und weitere Projektbeteiligte auf dem Areal der Wettenbergschule an der Platane, die ein Zeichen ist wider das Vergessen

»Frieden ist das Ziel, an dem wir alle täglich arbeiten sollen, ja müssen!«

»Ein Stück deutscher Schuld wurde abgetragen«

Ausstellung zur Geschichte des »Train Fantôme« - Kulturförderpreis der Gemeinde für die wertvolle Arbeit der Schule

Wettenberg (so). »Train Fantôme bedeutet Schmerz, Leid, Qual, Tod und Schicksalsschläge. Zu lange blieben die Ereignisse verschwiegen... Wir haben gelernt, wie wichtig es ist, dies aufzuarbeiten«, sagten Felix Wagner und Sebastian Wenzlitschke namens der Schüler der Jahrgangsstufe 10. Diese präsentierten gestern in der Mensa der Wettenbergschule die beeindruckenden Ergebnisse ihrer Recherchen zum »Train Fantôme«, dem »Geisterzug in den Tod«, der im August 1944 mehr als 600 inhaftierte Menschen unterschiedlicher Herkunft unter anderem aus dem Internierungslager Vernet d'Ariège von der heutigen Wettenberger Partnergemeinde Sorgues aus in die Konzentrationslager Dachau und Ravensbrück in Deutschland brachte. Im März hatten sich die Schüler der 10 a - wie bereits Jahrgänge vor ihnen seit 2002 - vor Ort auf Spurensuche begeben, hatten mit Zeitzeugen gesprochen und darüber hinaus Aspekte des Nationalsozialismus in der Gießen und Umgebung, erarbeitet. Zu sehen waren Collagen, Fotos, Dokumente, Zeitzeugenberichte sowie ein Filmbeitrag der aktuellen Studien sowie früherer Unterrichtsprojekte.


Die Route des Train Fantôme ist detailliert nachzuvollziehen

In Würdigung dieser wertvollen Arbeit verleiht die Gemeinde der Wettenbergschule den mit 1000 Euro dotierten Kulturförderpreis 2007 für das Projekt »Le Train Fantôme«. »Schülern und Lehrern mehrerer Schuljahrgänge ist es gelungen, eine dunkles Kapitel der deutsch-französischen Geschichte begreifbar und verständlich zu machen. Dieses über den bildungspolitischen Auftrag hinausgehende Thema der deutschen und europäischen Geschichte hat in der örtlichen Gemeinschaft, in der Region Mittelhessen und darüber hinaus national Beachtung gefunden. Die kommunale Partnerschaft zwischen Sorgues und Wettenberg wurde durch dieses Projekt fundamental belebt«, heißt es anerkennend in der Urkunde, die Bürgermeister Gerhard Schmidt gestern überreichte.

»Ihr- Lehrer und Schüler habt persönlich ein Stück >deutscher Schuld< in der leidvollen Geschichte zwischen Frankreich und Deutschland abgetragen. Wir sind stolz auf Euch!« so Schmidt. Die jüngeren Menschen ...seien nicht persönlich verantwortlich, für das, was 1944 in Sorgues geschah. »Wir sind aber verantwortlich dafür, was daraus in der Gegenwart und Zukunft wird«, sagte Schmidt.

Der Bürgermeister erinnerte an den Journalisten Jürg Altwegg, dessen Buch »Geisterzug in den Tod« auf diese Ereignisse von vor 63 Jahren aufmerksam gemacht habe. »Wir waren am Anfang auch sehr

Mit beeindruckenden Kunstwerken haben Schüler die »Train«-Geschichte aufgearbeitet
zurückhaltend, weil wir bei unseren französischen Freunden möglicherweise Irritationen befürchteten«. Dank gebühre insbesondere der Deutsch-Französischen-Gesellschaft Krofdorf-Gleiberg, zwischenzeitlich Wettenberg, und dem Vorsitzenden Norbert Schmidt persönlich, der als »Gegenüber« des »Comité de Jumelage« das Thema aufgegriffen und zunächst sehr einfühlsam mit den Partnern ausgetauscht habe. Der wichtigste Partner sei freilich die Wettenbergschule. »Ich habe selbst 2005 in Sorgues erlebt, mit welch hohem persönlichem Engagement und innerer Anteilnahme die Schülerinnen und Schüler mit ihren Lehrerinnen und Lehrern dieses Projekt erarbeitet, zu Fuß erwandert und vor allem auch dokumentiert haben«, erinnerte Schmidt an den Marsch der Deportierten von Roquemaure nach Sorgues im Sommer 1944 - auch diesen Weg sind in den vergangenen Jahren Schüler immer wieder gegangen.

Das 2001 an der Schule begonnene »Geisterzug«-Projekt, in dessen Rahmen mehr als 80 Schüler bislang auf Spurensuche in Frankreich gingen, hat bundesweit Aufmerksamkeit gefunden. Für diese Arbeit wurde der Schule 2006 durch die Robert-Bosch-Stiftung in Stuttgart der »Preis für bürgerschaftliches Engagement in Deutsch-Französischen Städte- und Gemeindepartnerschaften« verliehen. Auch der Landkreis Gießen hat das Projekt bereits ausgezeichnet, und für August ist eine Einladung in die Gedenkstätte »Topografie des Terrors« nach Berlin ergangen.


Bürgermeister Gerhard Schmidt (2. von links) überreicht den Kulturförderpreis der Gemeinde an Vertreter der Wettenbergschule: Den pädagogischen Leiter Achim Schwarz-Tuchscherer, Friederike Hubich und Daniel Speier (Klasse 10 a) und Schulleiter Andreas Jorde (v.l.) (Fotos: so)
Schulleiter Andreas Jorde dankte gestern ausdrücklich den Förderern der Projektarbeit, dank deren Hilfe seit 2002 rund 25 000 Euro beigesteuert werden konnten: Der Gemeinde Wettenberg, dem Jugendbildungswerk beim Landkreis Gießen, der Sparkasse Wetzlar und der Volksbank Gleiberger Land, Jürgen Wagenbach (»Schmall«), der Firma Elan, der Prof. Götz-Schmidt-Stiftung, Familie Daubertshäuser und der Deutsch-Französischen Gesellschaft um Vorsitzenden Norbert Schmidt. - »Beachtlich, bemerkenswert und beeindruckend«, nannte Landrat Willi Marx die Ausstellung und bat: »Frieden ist das Ziel, an dem wir alle täglich arbeiten sollen, ja müssen!« Da sei das Wirken der Partnerschaftsvereine wichtig. »Verständigung muss das Ziel sein«,, so Marx weiter. Daraus müsse Verständnis erwachsen, das in Vertrauen münde: »Damit ist der Boden für Frieden bereitet«.