Aus der Gießener Allgemeinen Zeitung vom 21. September 2007

»Train Fantôme«-Projekt der Wettenbergschule einmal mehr bundesweit im Blickpunkt

Von der Notwendigkeit, Erinnerungskulturen zu schaffen

Fachtagung »Zwangsarbeit im Nationalsozialismus - Bildungsarbeit am Übergang von der Zeitgeschichte zur Geschichte«

Wettenberg (pm). Die ehemalige Wettenbergschule, seit diesem Schuljahr Gesamtschule Gleiberger Land, war zu dem bundesweit ausgeschriebenen Fachkongress »Zwangsarbeit im Nationalsozialismus - Bildungsarbeit am Übergang von der Zeitgeschichte zur Geschichte« eingeladen, um ihre Projekt »Train Fantôme« vorzustellen. Ausgerichtet wurde diese Fachtagung vom 30. August bis l. September von den Stiftungen »Erinnern, Verantwortung und Zukunft« und »Topographie des Terrors«, beide mit Sitz in Berlin.

Bildungsarbeit zum Thema Nationalsozialismus war das zentrale Thema der Tagung, wobei im Mittelpunkt der Vorträge und Diskussionen die Problematik der Vermittlung von Zeitgeschichte mit Zeitzeugen bzw. ohne Zeitzeugen stand. Die zentrale Fragestellung war: »Wie kann die geschichtliche Überlieferung des Holocaust zukünftig ohne Zeitzeugen stattfinden?« In diesem Kontext wurden eine Vielzahl von Projekten vorgestellt, die in der Vergangenheit die Aufarbeitung des Nationalsozialismus mit Zeitzeugenarbeit leisteten.

Aus der gesamten Bundesrepublik wurden auf dem »Markt der Möglichkeiten« sowie in neun thematisch unterschiedlichen Arbeitsgruppen Projekte vorgestellt und diskutiert. Neben Vorträgen stand ein Besuch der Gedenkstätte für Zwangsarbeit im Nationalsozialismus in Berlin-Schöneweide auf dem Programm.


Monika Graulich (Regionalsprecherin Mittelhessen des bundesweiten Vereins »Gegen Vergessen - für Demokratie«), Daniel Speier, Friederike Hubich und Achim Schwarz-Tuchscherer (Pädagogischer Leiter der Gesamtschule Gleiberger Land) (Foto: Schwarz-T.)

In seinem Vortrag zum Thema »Individuelle Erinnerungen in wechselnden Gedächtnislandschaften« beschrieb Prof. Dr. Lutz Niethammer von der Friedrich-Schiller Universität Jena die Bedeutung des Erinnerns für die Aufarbeitung des Holocaust, wie auch für die Weitervermittlung an die folgenden Generationen. Sein Satz »Normal ist das Vergessen, nicht das Erinnern« verdeutlichte die Notwendigkeit der Schaffung von Erinnerungskulturen.

Das Projekt »Train Fantôme« präsentierte sich in der AG »Spezielle Lerngruppen«. Insbesondere die Bearbeitung des Themas in Lerngruppen der Mittelstufe sowie die Verknüpfung mit der deutsch-französischen Städtepartnerschaft Wettenberg - Sorgues zeichneten das Projekt der Wettenbergschule aus und beeindruckten die Teilnehmer der Arbeitsgruppe bzw. der Fachtagung. Bemerkenswert ist, dass die ehemaligen Wettenbergschüler die einzigen Schüler waren, die an dieser Fachtagung teilnahmen.

Das Thema »Train Fantôme« - erstmals im Jahr 1997 zwischen Vertretern der deutsch-französischen Partnerschaftsvereine Wettenberg und Sorgues (Südfrankreich) thematisiert - stellt seit dieser Zeit einen wesentlichen Anknüpfungspunkt in der seit 30 Jahren bestehenden lebendigen Partnerschaft dar. In bisher drei Projektdurchläufen kam es in Sorgues zu Zusammentreffen zwischen jungen Wettenbergern und Zeitzeugen des »Train Fantôme«. In bewegenden Gesprächen zwischen Ehemaligen Deportierten und Jugendlichen wurde Geschichte lebendig erfahrbar und bewirkte nachhaltige Einsichten und Erkenntnisse über ein düsteres Kapitel deutscher Geschichte.

Das Projekt wurde in Berlin vertreten von den ehemaligen Schülern Friederike Hubisch und Daniel Speier, von Achim Schwarz-Tuchscherer als dem Pädagogischen Leiter der Gesamtschule Gleiberger Land und Monika Graulich (Regionalsprecherin Mittelhessen des bundesweiten Vereines »Gegen Vergessen - Für Demokratie«, DeutschFranzösische Gesellschaft Wettenberg).