Aus der Gießener Allgemeinen Zeitung vom 18. Oktober 2008 35 Jahre Dialog - eine Bereicherung des LebensPartnerschaftsbegegnung in Sorgues - Such nach neuen Herausforderungen für die Jugend - Milon-Einladung nach ParisWettenberg (bf). Gut 100 Menschen aus dem Gleiberger Land und etliche mehr in Sorgues bei Avignon werden den Auftakt der Herbstferien 2008 in guter Erinnerung behalten: Gemeinsam feierten sie zu Monatsbeginn das 35-jährige Bestehen ihrer kommunalen Partnerschaft. Herausragend bei dem fünftägigen Programm waren der offizielle Festakt mit bemerkenswerten Redebeiträgen zum Fortbestand der Beziehung, ein hochkarätiges Konzert des Projektchores des Gesangvereins 1842 Krofdorf und des Chorale »Amista«, eine mit viel Beifall aufgenommene Ausstellung von Malern und Kunstschaffenden des »KuKuK«-Künstlerkreises Wettenberg sowie das Auftreten von 16 Zehntklässlern der Gesamtschule Gleiberger Land, die sich am Beispiel des Deportiertenzuges »Train Fantôme« von 1944 und der Teilhabe an dieser Begegnung Fragen der deutsch-französischen Beziehungen in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft widmeten. Eher touristisch-landeskundliche Aspekte standen im Vordergrund bei einem Ausflug auf die Stierzucht-Domäne »Paul Ricard« bei Arles, bei dem Camargue-Landwirte über Tierzucht und Ackerbau (u. a. Reis) informierten, das Brandmarken eines Kalbes zeigten (»Ferrade«), und einen »Course camarguaise« demonstrierten, das unblutige Spielen mit dem Stier.
Für Bürgermeister Gerhard Schmidt, der im Januar 2010 in den beruflichen Ruhestand geht, war es die letzte offizielle Ansprache bei einem Jumelage-Jubiläum. Daher bilanzierte er die deutsch-französischen Beziehungen am Beispiel dieser Partnerschaft aus einer sehr persönlichen Warte. Den daran beteiligten Menschen habe der Dialog in all den Jahren zu einer zuvor nicht geahnten Bereicherung ihres Lebens gereicht. Für die Zukunft brauche man eine neue Motivation in der jungen Generation und gegebenenfalls weitere Herausforderungen, etwa zur gemeinsamen Hilfe andernorts in Europa oder der Welt. Für 2009 lud Schmidt die Südfranzosen unter anderem zum Krämermarkt Wißmar und zum Festival »Golden Oldies« ein. Weiterer Gemeindevertreter war FW-Politiker Georg Schlierbach, der Vorsitzende des Ausschuses für Kultur, Sport und Partnerschaftspflege. Bürgermeister und Senator Dr. Alain Milon lobte in sehr bewegenden Worten seinen deutschen Kollegen für dessen Beharrlichkeit in Sachen Partnerschaft. Man wolle - aber dies sei nicht leicht - in einer immer individueller werdenden Gesellschaft weiter unter der Jugend für die Dialog-Idee werben. »Wir kennen ihre Qualitäten. Mit diesen Argumenten müssen wir mobilisieren.« Rock-n-Roll-Club Sorgues, die beiden Chöre, die Künstlervereinigungen sowie die Partnerschaftsvereine seien aktuelle Aktivposten im Miteinander von Sorgues und Wettenberg. Die deutschen Gesamtschüler und deren Lehrer Gerhard Kohler, Luise Ahrens-Dietrich und Achim Schwarz-Tuchscherer, von denen er einen außerordentlich positiven Eindruck gewonnen habe, lud er zum Besuch des Senats nach Paris ein - »damit ihr auch einmal unsere Hauptstadt kennenlernt«.
Marie-Dominique Rampal, Vorsitzende des Comité du Jumelage Sorgues, nannte die Jumelage einen Beitrag zur politischen Stabilität Europas. Norbert Schmidt, Vorsitzender der Deutsch-Französischen Gesellschaft Wettenberg, die im Dialog mit der Kommune Träger der Partnerschaft ist, plädierte ein weiteres Mal dafür, Jumelage-Teilhabe von Kindern und Jugendlichen mehr zu fördern, ihnen den Reichtum von Sprach- und Kulturkompetenz vor Augen zu führen. Die Fusion der Gesamtschulen im Gleiberger Land eröffne hierzu neue Chancen. Und er hofft, dass sich die Schulen in Sorgues wieder stärker dem Austausch zuwenden. Norbert Schmidt sagte zu, die DFG werden den Französisch-Unterricht von der fünften Klasse an subventionieren, wenn eine Kind diese Sprache lernen wolle. »Wir sind offen für alle Formen von Sprachfürderung der Kinder unseres Dorfes. Sprache ist der Schlüssel zum Leben, zum Dialog« 26 Titel standen beim Chorkonzert in der Kirche zu Sorgues auf dem Programm, bei dem Marceau Apap und Maryelle Tillié sowie Dennis Amend ihre Chöre dirigierten. Bevor am Ende über 100 Sängerinnen und Sänger den Altarraum ausfüllten bei der mittlerweile 16. Begegnung beider Vereine, hatte jedes Ensemble allein geglänzt. Die Franzosen unter anderem mit »Je m'en vas« (»The Leaving of Liverpool«) und einem selbstverständlichen »Chanter«, die Wettenberger mit geistlicher Klassik von Bach, Schubert, Mendelssohn und Brahms, Liedern aus Afrika sowie den Gospels »Ev'rytime I feel the spirit« und »Get on board«. 1842-Vorsitzender Daniela Schmidt fiel am Ende ein Stein vom Herzen: Geschafft! Die monatelangen Vorbereitungen hatten sich gelohnt.
Viel Aufmarksamkeit wurde der »KuKuK«-Ausstellung im Verwaltungszentrum Sorgues zuteil. Immerhin waren 45 »Tableaus« zu sehen, von denen die Gastgeber-Stadt eines erwarb (von Susanne Voos, Wißmar). Sorgues rühmt sich, in frühen Jahren vorübergehend Pablo Picasso und Georges Braque beherbergt zu haben. Bis 2010 errichtet die Stadt zudem (für brutto 12 Mio. Euro) ein Kulturzentrum mit Mediathek und Ateliers, Musikräumen und kleinem Konzertsaal. Benannt wird es nach der Bildhauerin Camille Claudel. Colette Daumas von »Sorgues - Couleurs et Formes« sowie Dieterich Emde / Barbara Yeo-Emde freuten einander über den vitalen Austausch unter den Künstlern beider Orte. Der Wettenberger »KuKuK« lud zum Gegenbesuch ein.
Als herzerfrischende Bereicherung empfand man in Sorgues die Teilnahme der Zehntklässler der Gesamtschule Gleiberger Land. Sie seien »überzeugende Botschafter ihrer Heimat«, ließ Dr. Milon anklingen. Die aufgeweckten Jugendlichen hatten sich im Unterricht auf diese Exkursion vorbereitet. Madame Bühler führte sie durch das »Museum des Widerstands« in Fontaine de Vaucluse. Die Schüler trafen zum Austausch von Wissen aus Geschichte und Politik mit einer Schulklasse aus Avignon zusammen, besuchten in Roquemaure, Chateauneuf-du-Pape und Sorgues die Stationen des Marsches von 700 ausgemergelten Deportierten vom 18. August 1944 (mit Kranzniederlegung am Denkmal vor dem Bahnhof), sprachen mit ihnen sehr zugewandten Zeitzeugen, die die Besatzung in der Zeit des zweiten Weltkriegs überlebten - darunter Robert Silve. Dazu trugen die Schüler ihren Teil zum Festakt bei. Die Deutsch-Französische Gesellschaft Wettenberg agierte vornehmlich im Hintergrund. Nur am Sonntag beim Wochenmarkt auf der Place de la République standen ihre Akteure vorübergehend im Mittelpunkt. An einem von Rampal und deren Comité angemieteten Stand unterbreiteten sie leckere Kostproben aus Oberhessen: Brezeln, geräucherte Bratwurst und frisches Pils aus dem Herzen der Natur. |